Auf dem Weg ins Demining Camp

Es ist Samstag  und ich bin heil und gesund im Camp angekommen. Meine Fahrt von Juba ins Camp hat sich eigentlich recht unkompliziert herausgestellt. Kenyi, ein Freund oder mein Father in Law ( er ist der Vater meiner „Ersatzfamilie“ ) war zufälliger Weise auch in Juba und musste am nächsten Tag zurück nach Kajo Keji.  Sein Cousin fuhr am nächsten Tag mit dem Auto zurück und er könnte mich mitnehmen und auf halber Strecke im Camp abliefern. Was für ein Glück. Ich will ehrlich sein, ohne seine Hilfe wäre ich komplett aufgeschmissen gewesen. Alle, die ich gefragt hatte, hatten keine Ahnung  vom wie und wo, was Busverbindungen nach Kajo Keji angeht und Informationstafeln an „Bushaltestellen“ gibt es natürlich nicht. Ich war komplett lost in translation. Oder lost in Juba?

Kenyi war überpünktlich am nächsten Tag. Eine bisher völlig neue Erfahrung für mich, überpünktlich! Fast hätte ich drei rote Kreuze im Kalender gemacht. Im Anzug gekleidet und den schicken braunen Schuhe wartete er draußen vor der Combonistation auf mich. Er lass Zeitung unter einem Baum. Freudig begrüßte er mich und erklärte mir, dass es besser ist gesammelt auf seinen Cousin zu warten und das er deswegen so früh dran ist um mich abzuholen. Ok, super. Allerdings war mir nicht ganz klar was das heißt, denn es war niemand da außer Kenyi. So stampften wir zur Straße hin, standen da und warteten. Ich habe gedacht sein Cousin holt uns hier ab…Aber nein, so einfach ist das natürlich nicht.  10 min später saß ich in einem alten kleinen klapprigen Matatu, mit der Aufschrift: „God´s plan“ und düste mit Kenyi einmal quer durch die Stadt. Hier aussteigen, da wieder einsteigen. Rauf und runter, auf und ab. Immer wieder steigen Menschen aus. Immer wieder steigen Menschen ein.  Alle schwitzen. Alle stinken. Die bunten Überzüge im Bus staubten jedes Mal wenn sich jemand draufsetzt und ich wusste nicht genau: Fenster auf oder doch Fenster zu? Es schrillte laute Musik aus dem Radio und viele der Kleinbusse hatten irgendwelche meist völlig verstaubten Tierfelle auf dem Armaturenbrett liegen. Der Fahrer ist voller Elan und die ganze Fahrt ist ein einziges Hupkonzert.  Die kleinen Busse sind wie Taxis, die in eine bestimmte Richtung fahren und dort halten, wo Menschen mit den Händen die Gefährte herbei winkten, was heißt: einfach überall. Solange genügend Platz ist darf jeder mitfahren.  Wie man allerdings weiß, welches Matatu wo hin fährt blieb mir dennoch ein Rätsel. Auch Kenyi konnte mir das nicht beantworten, man weiß es einfach.

Wir fuhren vorbei an großen verdreckten Bergen aus platt gefahrenen Wasserflaschen und weggeworfenen bunten Getränkedosen. Es tat sich mir ein Meer auf aus Plastik, gestreiften Einkaufstüten, vergammelten Essensresten und vielleicht Papier? Mittendrin Dosen von Coca Cola und Redbull.  Weiße Vögel kreisten darüber und kleine Kinder in zerfetzter Kleidung stiegen mitten durch. Es ging vorbei an Märkten, die zwischen verbrannten Autoreifen und schwarz rauchenden Haufen aus Blech oder anderen brennbaren Materialen ihre Waren anpreisen. Dazwischen verliefen kleine Rinnsal, welche mit Seife oder anderen Flüssigkeiten vermischt, durch das wilde Treiben ihren Weg machten. Gelbe Bananen hier. Reife Mangos da. Immer wieder steigen wir in andere Matatus um oder fahren weiter mit den Boda-Boda, geradewegs in die Slums. Ein Gestank von Verwesung und verbrannten Unrat machte sich breit. Die Straßen sind keine Straßen mehr, das Leben hatte einen Punkt für mich erreicht, welches für mich kein Leben mehr ist. Es war erdrückend heiß und es war feucht. Meine Kleidung klebte mir am Körper und trotz bewölktem Himmel steht die Luft. Mit einem Wort: es war grauenhaft.

Einige Straßenkreuzungen weiter sind wir dann endlich am Ziel. Ich hätte nicht gedacht, dass sich hier auch noch ein paar „schöne“ Ecken befinden könnten. Weit weniger Müll und ein paar nicht ganz so abgefuckte Tukuls. Ich werde von den Nachbarn etwas komisch angeschaut und ich versuche den neugierigen Blicken hinter den Gartenzäunen, die keine wirklichen Gartenzäune sind, keine Beachtung zu schenken. Ich denke mir nur: I´m sorry! Yes, I´m white! Kenyi wollte sich nur noch kurz umziehen gehen, damit wir gleich weiter können. Doch was ist jetzt passiert? Ich hatte mir nichts dabei gedacht als er sagt: „I´ll dress me on… aber das? Kenyi steht vor mir in voller Armymontur und einer Waffe. Eine Kalaschnikow um genau zu sein. Dazu passend seine braunen schicken Schuhe von heute Vormittag. Eigentlich hätte ich ein Foto machen sollen, aber ich war einfach zu überrascht. Mit seiner Laptoptasche auf der einen und der Waffe auf der anderen Seite marschierte ich ihm einfach nur hinterher. Wortlos. Im Gänsemarsch gingen wir zurück durch die Slums und zu einer Hauptstraße oder so was ähnliches. Wieder mit den Matatus durch die City, wieder mit den Boda-Boda über die verstaubten Straßen. Niemand sagte auch nur ein Wort und wenn die Leute schauten, schauten sie nur mich an. Was die wohl alle gedacht haben? Ich weiß es  nicht. Ich weiß es einfach nicht. Ich habe natürlich Kenyi gefragt warum er so gekleidet ist, aber ich habe ihn nicht richtig verstanden bzw. ich habe den Sinn nicht verstanden. Er murmelte nur irgendwas von, er tut es nicht gerne… wie auch immer. Bei manchen Themen stehe ich immer noch komplett an oder sollte ich sagen: ich sollte aufpassen was ich frage?

Wir trafen seinen Cousin, wir fuhren in die Richtung, die für mich wichtig war und ich befinde mich nun im Deminer Camp. Ich bin wohlauf und werde mütterlich behandelt. Ich werde verwöhnt und genieße das Dasein in meinem Zelt. Die Jungs sind einfach nur klasse! Vielleicht sollte ich dazu sagen, dass sich noch NIE eine weiße Frau in diese Männerdomäne getraut und sich für mindestens eine Woche einquartiert hat.  Ich komme mir fast vor wie in einem 5 Sterne-Hotel.  Meine Wäsche wird gemacht ( dass meine Unterwäsche allerdings dann beim Boss landet ist nicht meine Schuld! Es ist  nur etwas peinlich, wenn Mr. Lovell mit meiner Unterwäsche in Hand vor versammelter Mannschaft steht und fragt: „Who belongs to this?“ ) und die Tasse Tee bekomme ich morgens ans Bett. I never felt better, kann ich dazu nur sagen.

Alles weitere dann

© Corinna

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